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Alkoholabhängigkeit

Entstehung der Abhängigkeit

Zu viel Alkohol kann abhängig machen. Eine Alkoholabhängigkeit ist aber nicht alleine eine Frage der konsumierten Menge. Sie entwickelt sich langsam und für viele oft unbemerkt.

Sie trinken Alkohol als Mittel gegen Stress, Sorgen oder Langeweile. Ihre Gedanken kreisen ständig um das nächste Glas. Sie trinken immer mehr, um dieselbe Wirkung zu erzielen. Sie haben Schwierigkeiten, zwei Tage in der Woche auf Alkohol zu verzichten.

Das könnten bereits erste Hinweise für die Entwicklung einer Abhängigkeit sein. Alkoholismus ist eine diagnostizierbare Erkrankung. Man spricht von einer Alkoholabhängigkeit, wenn mindestens drei dieser Punkte während des letzten Jahres auftreten:

  • ein starker Wunsch, Alkohol zu konsumieren
  • Schwierigkeiten, den Konsum zu kontrollieren
  • anhaltender Gebrauch trotz schädlicher Folgen
  • dem Alkoholkonsum wird Vorrang vor anderen Aktivitäten und Verpflichtungen gegeben
  • Entwicklung einer Toleranzerhöhung, d. h. es muss immer mehr getrunken werden, um die gleiche Wirkung zu erzielen
  • körperliche Entzugserscheinungen

Eine Diagnose der Erkrankung Alkoholabhängigkeit muss durch einen Arzt/eine Ärztin erfolgen.

Neurobiologische Hintergründe

Dass eine Alkoholabhängigkeit entstehen kann, liegt an der Wirkung des Alkohols auf die Botenstoff- und Belohnungssysteme im Gehirn:

  • Alkohol gelangt innerhalb weniger Minuten über die Blutbahn ins Gehirn und verteilt sich dort, sodass viele Botenstoffsysteme (Neurotransmitter) gleichzeitig beeinflusst werden. Die zwei wichtigsten sind das GABA-System und das Glutamatsystem. Die beiden sind im Gehirn „Gegenspieler“ und befinden sich mehr oder weniger im Gleichgewicht. Durch den Einfluss von Alkohol geht dieses Gleichgewicht verloren.
  • Der Alkohol entfaltet seine Wirkung im Gehirn hauptsächlich über das GABA-System und bewirkt Entspannung, Beruhigung, Entschleunigung, Wohlbefinden. Denn Alkohol verstärkt die Wirkung des Botenstoffes GABA – unter anderem in der frontalen Hirnrinde, wo GABA jene Neuronen hemmt, die für die Verhaltenskontrolle zuständig sind, sodass deren Kontrollfunktion herabgesetzt wird. Es kommt zur Enthemmung.

Wird das GABA-System durch Alkoholkonsum verstärkt, setzt das Gehirn gleichzeitig eine Gegenmaßnahme durch Stimulation des Glutamatsystems in Gang. Je mehr Alkohol zugeführt wird, umso stärker werden die Gegenmaßnahmen. Wer länger trinkt, spürt daher die angenehmen Wirkungen des Alkohols bei mäßigen Dosen kaum noch, weil sofort die Aktivierung des Glutamatsystems als Gegenmaßnahme auf den Plan gerufen wird und die verstärkte GABA-Wirkung neutralisiert. Das Nervensystem gewöhnt sich an den Alkohol. Um den gleichen angenehmen Effekt zu erzielen, muss man also mit der Zeit immer mehr und mehr trinken. Doch je größer der Alkoholkonsum ist, umso mehr Gegenmaßnahmen werden auch gesetzt. Nach und nach entfaltet das GABA-System nur noch eine unzureichende Wirkung, weil diese sofort durch das inzwischen überaktivierte Glutamatsystem ausgeglichen wird. Man „verträgt“ also zusehends mehr Alkohol, ja, man braucht immer mehr, um sich nicht schlecht zu fühlen und unter Entzugserscheinungen wie körperlicher Unruhe, Schlafstörungen oder dem Verlangen nach Alkohol zu leiden. Und das ist der Weg in die körperliche Abhängigkeit. In dieser Phase ist rasches Abstellen von Alkoholkonsum potenziell gefährlich und sollte am besten unter ärztlicher Auf-sicht erfolgen. Mit Medikamenten ist es möglich, das Gleichgewicht wiederherzustellen und dem Nervensystem Zeit zu geben, sich auf „alkoholfreies Funktionieren“ umzustellen.

Alkohol sowie manche Drogen besitzen die Fähigkeit, die Ausschüttung bestimmter Botenstoffe im Belohnungssystem (Dopamin und Endorphine) deutlich zu erhöhen. Somit verschaffen sich diese Substanzen einen „direkten“ Zugang zu unserer inneren „Steuerzentrale“. Bei mäßigem Konsum ermöglicht dieser Effekt den Genuss. Das kann aber in manchen Fällen zur Eskalation des Konsums führen, da sich das Belohnungssystem auf die Wirkung einer Suchtsubstanz allmählich umstellt und für andere Einflüsse zunehmend unzugänglicher wird. Dies geschieht langsam und sehr oft unauffällig, stellt aber einen der wichtigsten Mechanismen in der Entwicklung der Abhängigkeit dar. Mit der Zeit bekommt Alkohol einen immer höheren Stellenwert für den Betroffenen und er reagiert übersensibel auf alkoholbezogene Reize, im Gegenzug aber unempfindlich gegen-über anderen Reizen. Das führt dazu, dass sich viele Menschen mit einem Alkoholproblem für etwas anderes schwerer begeistern können und an keiner Aktivität ausreichend Freude finden, wenn diese nicht mit Alkoholkonsum in Verbindung steht.

Risikofaktoren

Zu den Risikofaktoren für die Entwicklung einer Alkoholabhängigkeit zählen ein schwieriges soziales Umfeld, Alkoholprobleme in der Familie, psychische Erkrankungen, wie z.B. Depressionen und Angststörungen, aber auch bestimmte genetische Faktoren.

Epidemiologie

In Österreich gelten 5 % der erwachsenen Bevölkerung ab 15 Jahren als alkoholabhängig (2,5 % der Frauen und 7,5 % der Männer). Das sind ungefähr 370.000 Menschen.

Hilfe

Für Menschen, die bereits ein Problem mit Alkohol haben, sowie deren Angehörige stehen Beratungsstellen zur Verfügung. Die Fachleute unterliegen einer Schweigepflicht.